GERT56 zieht sich aus der FIM Endurance World Championship zurück. Der neue Weg heißt IDM.

Nach Vize-Weltmeisterschaft 2018/2019 – punktgleich mit den Weltmeistern – zwei gewonnen 24-Stunden-Rennen, sowie weiteren Podesten im FIM Endurance Superstock World Cup ist Schluss: GERT56 richtet sich neu aus und wechselt in den Sprint-Rennbetrieb und in die IDM.

Ziel war es in der Saison 2019/2020 eigentlich gewesen, den WM-Titel im FIM Endurance Superstock World Cup einzufahren. Doch diese Saison brachte neben neuen, fast unmöglichen Herausforderungen, auch einige Rückschläge, die Covid-19 bedingt nicht einmal sportlicher Natur waren.

Die Saison 2019/2020 wird – ungeachtet dessen, was beim Finale in Estoril am kommenden Wochenende passiert – wohl als die kürzeste Langstrecken-Saison in die Geschichte eingehen. Beim letztjährigen Bol d’Or in Le Castellet konnten aufgrund von Regen nur 12 der 24 Stunden im Rennbetrieb gefahren werden. Selbst das Asien-Debüt bei den 8 Stunden von Sepang in Malaysia fiel ins Wasser und es kam nur zu einer Rennzeit von knapp unter drei Stunden. Dass wenige Monate später der Virus das gesamte Renngeschehen beeinflussen würde, ahnte damals noch niemand.

Doch bereits in und um Malaysia am 3. Advent 2019 war die Entscheidung bei GERT56 und seinen Teammitgliedern gereift: Immer längere Renndistanzen, weitere Destinationen und Rennen im Winter – das würde ein Privat-Team auf Dauer nicht stemmen können.

Allen voran sind dabei die Teammitglieder zu nennen, die diesen Sport als hochprofessionelles Hobby betrachten, dabei aber zumeist in einem festen Angestelltenverhältnis einem täglichen Broterwerb nachgehen. 2020 hat diese Basis auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, denn Urlaubsanträge mussten sage und schreibe mindestens sieben Mal umgeändert werden.

Nahezu sämtliche Pläne für 2020 wurden – wie fast bei allen motorsportlich Aktiven – mehrfach umgeworfen. Doch der Plan von GERT56 aus der EWC zu Saisonende auszusteigen, der hatte Bestand.

Das Finale der 12 Stunden von Estoril ist vier Wochen vor dessen Durchführung in den Kalender gerutscht und wurde an dem Wochenende angesetzt, bei dem die Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft (IDM) in Hockenheim ihr Finale austrägt. Wie bei der Teamvorstellung im Rahmen der Messe SachsenKrad im Januar kommuniziert, wird GERT56 mit den Partnern WP Suspension und BMW Motorrad, sowie Fahrer Toni Finsterbusch, die getroffenen Zusagen einhalten und bei der IDM am Start sein.

Für eine Teilnahme in Portugal standen daher mehrere Probleme im Raum: Fehlende Basis-Teammitglieder, fehlende Fahrer – mit Stefan Kerschbaumer, Pepijn Bijsterbosch und Toni Finsterbusch sind drei der vier Athleten fest in Hockenheim im Einsatz – zusätzliche Reisekosten und – vor allen Dingen – keine Reifen.

Pirelli hatte sich Anfang Jahres aus der EWC zurück gezogen und selbst Le Mans konnte nur aufgrund von Privatinitiativen von Pirelli-Deutschland-Mitarbeiter Björn Lohmann gestemmt werden. Der Lohn war der wohl größte, den man im Langstrecken-Sport einheimsen kann: Der Sieg in der Stocksport-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans.

Das Kapitel FIM Endurance World Championship endet für GERT56 vor dem Finale in Estoril, doch gleichzeitig wird am gleichen Wochenende eine neue Seite aufgeschlagen: Das Team gibt in der IDM in Hockenheim sein Debüt. Ohne Corona, wäre vieles anders gekommen, aber nicht alles. Es heißt nun abzuwarten, welche Situation 2021 insgesamt im Rennsport vorgefunden werden kann und wie es dann weiter geht, doch die Ausrichtung GERT56 auf Vollgas – nun aber über kürzere Distanzen – bleibt erhalten.

Karsten Wolf:
„Die Puhdys haben einst gesungen: Alles was zu Ende ist, kann auch Anfang sein. Darum sehen wir unseren Rückzug aus der Endurance World Championship als wohl überlegt und zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Wir haben unglaubliche Erfolge gefeiert! Ich selbst war einst bei den 24 Stunden von Le Mans beim Autorennen vor Ort und wollte unbedingt dort oben auf das Podest. Das haben wir geschafft. Wir haben Le Mans gewonnen, wir haben den Bol d’Or gewonnen und selbst an Weihnachten in Asien auf dem Podest gestanden. Wir haben allen gezeigt, was wir können. Die Entscheidungen, auf immer längere Rennen, zu utopischen Jahreszeiten und am anderen Ende der Welt zu fahren, die hat uns zum Nachdenken gebracht. Dass wir in Estoril nicht dabei sein werden, mag manch einer nicht verstehen, aber dazu hatten wir das Jahr und die Saison einfach anders geplant und unsere Zusagen getroffen, die ich immer einhalten werde. Eine Woche eher beim Bol d’Or, wären wir dabei gewesen, selbst wenn ein weiteres 24-Stunden-Rennen gar nicht budgetiert gewesen wäre.“

„Es waren sicherlich viele Gründe, die uns nun vor dem Finale der FIM Endurance World Championship 2019/2020 bewegt haben, uns zurück zu ziehen. Mein persönlicher Hauptgrund aber ist, dass aus unserer Stammbesetzung sieben Personen gefehlt hätten – ohne die Fahrer mitzuzählen! Unser Team besteht aber aus unserem Team und nicht aus gerade Mal eben verfügbaren Menschen. Unser Team hat diesen Weg gemeinsam beschritten, unser Team ist ein Team. Ich kann und will nicht ohne unsere Mannschaft fahren. Ein großer Dank geht auch noch einmal an Pirelli Deutschland und Björn Lohmann, die uns auch diesen Einsatz irgendwie ermöglicht hätten – aber aus unserer Personalknappheit wäre in diesem Fall auch eine Personalmangelwirtschaft geworden, da wir alles hätten – logistisch wie personell – selbst stemmen müssen.“

„Wir haben unsere Sponsoren und Partner bereits im Vorfeld dieser Mitteilung informiert und wir haben zu 100 Prozent zustimmendes und positives Feedback erhalten. Das bestärkt mich in dieser Entscheidung. Unsere Partner waren immer Loyal zu uns und wir zu ihnen, wir haben die Kommunikation vor dieser Entscheidung gesucht und sind darin bestärkt worden.“

„Aus dem Team RS Speedbikes wurde einst GERT56. Ronny Schlieder und Karsten Wolf haben zusammen begonnen, die Wege haben sich permanent gekreuzt und wir sind am Ende zusammen in Le Mans ganz oben gestanden. Sieben Jahre lang haben wir in der Langstrecken-Weltmeisterschaft vor allem Prügel bekommen, aber auch Prügel ausgeteilt. Wir mussten viel lernen – und haben dann den anderen gelehrt, dass ein kleines Privat-Team aus Pirna im Elbsandsteingebirge sehr wohl das wichtigste Rennen der Welt mit den 24 Stunden von Le Mans gewinnen kann. Oder dass ein Fahrer auf unserem Motorrad im Qualifying von Le Mans die EWC-Elite zur Frage hinreißen lässt: Who the fuck is Julian Puffe?“

„Es sind Dankbarkeit, für die tollen Zeiten, Demut vor dem Erreichten und vor allem nun auch Aufregung und Tatendrang, die uns jetzt das Kapitel EWC ad acta legen lassen und mit diesen Gefühlen reisen wir nach Hockenheim, wo dieses Wochenende die neue Zeitrechnung für GERT56 beginnt. Wenngleich: Einen Gaststart in der EWC-Klasse bei der German Speedweek im kommenden Jahr haben wir schon geplant!“

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